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Auf welche Werte stützen wir uns als Familie?

Juul schreibt, auch wenn wir uns unserer Werte nur teilweise bewusst seien, brächen wir sie ständig durch Worte und Handlungen zum Ausdruck wie beispielsweise: „Kinder müssen lernen, ihren Eltern zu gehorchen, denn die Eltern wissen es am besten.“ Für frühere Generationen seien die meisten Werte, an welchen sich die Kindererziehung orientiert habe, sicher gewesen, auch die Meinung darüber, was in der Erziehung richtig oder falsch war.

Wechselseitiger Lernprozess für Eltern und Kinder

Weil unterdessen manche von diesen Werten als falsch betrachtet werden, bedeute dies, dass heutige Eltern weniger Macht hätten, aber sie die Führung trotzdem nicht aus der Hand geben könnten. Juul betont, dies sei unglaublich schwierig für die Eltern!
Diesen wechselseitigen Lernprozess müssten die heutigen Eltern zusammen mit ihren Kindern gehen, während diese allmählich aufwachsen. Und dass dies zu Konflikten und Frustrationen führen könne, müsse auch so sein, meint er. Beide Seiten – Eltern und Kinder – würden von Zeit zu Zeit unweigerlich ärgerlich, frustriert oder wütend sein.

Vakuum in den Erziehungsvorstellungen

Juul schreibt, dass Eltern Macht über das Leben und Wohlergehen ihrer Kinder hätten, v.a. während der ersten Lebensjahre. Die Abschaffung von Gewalt im Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern habe jedoch ein Vakuum hinterlassen und Eltern müssten deshalb tagtäglich experimentieren, um dieses Vakuum zu füllen. Moderne Eltern müssten eine sehr viel persönlichere Autorität entfalten, was auch für die Partnerschaft zwischen Erwachsenen gelte, wo die Geschlechterrollen immer mehr verschwinden würden.

Die Verantwortung liegt immer bei den Eltern!

Nach Juul können Kinder diese Verantwortung für die Qualität des wechselseitigen Umgangs miteinander nicht übernehmen. Wenn der Umgang zwischen Eltern und Kindern nicht stimme, solle nie den Kindern die Schuld dafür gegeben werden! Das sei unethisch und untergrabe die Lebenstauglichkeit der Kinder. Es gehe auch nicht darum, den Eltern die Schuld in die Schuhe zu schieben, sondern vielmehr darum, dass die Eltern die Verantwortung übernehmen und nach Möglichkeiten suchen sollten, damit das Negative nicht wieder geschehe.
Diese Verantwortung beinhaltet nach Juul unter anderem, dass Eltern ihre eigenen Grenzen wahrnehmen und benennen können, und das sei ein lebenslanger Lernprozess, welcher im Umgang mit dem Partner, den Kindern und den eigenen Eltern stattfinde.

Persönliche Grenzen

Grenzen seien individueller Art, abhängig von der Persönlichkeit, vom Temperament, von den Wertvorstellungen, von den verschiedenen Hintergründen, schreibt Jesper Juul. Diese Grenzen sollen in einer persönlichen Sprache ausgedrückt werden („So bin ich“). Denn wenn ein Kind die Grenzen der Eltern nicht kenne, werde es unsicher, völlig passiv oder hyperaktiv und auf jeden Fall einsam.
Es gehe nicht darum, dass man alle seine eigenen Grenzen erklären könne, sondern es gehe darum, dass man seine persönlichen Grenzen kurz, klar und aufrichtig formuliere. Die Grenzen seien wichtig, damit wir uns mit uns selber und unseren Kindern wohlfühlen können. Es sei für Eltern und Kinder besser, wenn die Eltern versuchten, sie selbst zu sein und zu sich zu stehen, statt „richtig“ zu sein!

Quelle: Jesper Juul: Grenzen, Nähe, Respekt. Auf dem Weg zur kompetenten Eltern-Kind-Beziehung.